„Wenn Du ein intensives Leben führst, hast Du alle drei Monate eine Krise“.

Das sagte Raho Bornhorst einmal, und allmählich spüre ich, dass er recht hat.
Nun muss die Krise nicht immer eine große sein. Auch kleinere Krisen gehören dazu und bieten Dir Gelegenheit, eine neue Lektion im Leben zu lernen. Meine eigene aktuelle Lektion hatte mal wieder mit Wut zu tun.

„Hallo Wut, da bist Du ja wieder.“ Normalerweise begrüße ich so die Verzweiflung, die mich ab und zu heimsucht, heute aber ist es die Wut.
„Wo kommst Du denn schon wieder her? Bist Du überhaupt von mir? Oder habe ich Dich nur von irgendjemandem aufgeschnappt?“
Auf jeden Fall ist da Wut in meinem Energieraum und ich muss jetzt irgendwie damit umgehen.

Um ganz ehrlich zu sein: So ganz unangenehm ist diese Wut diesmal gar nicht, denn sie hat keinerlei zerstörerische Anteile. Das war auch schon mal anders: Früher war meine Wut manchmal mit Aggression und sogar mit selbstzerstörerischen Anteilen gemischt.
Heute ist das zum Glück anders. Heute fühlt sich meine Wut wie eine lebendige Energie an, die einfach nach Veränderung drängt, und zwar von etwas, das schon lange angepackt werden will. Es ist wie eine Erinnerung an etwas, das ich schon immer leben wollte. Warum nur habe ich so lange damit gewartet?

Ich beginne mit aufräumen und ausmisten. Plötzlich geht vieles ganz leicht, was ich bisher vor mir hergeschoben habe.
Die vielen unordentlichen Ecken fallen mir auf, die ich bisher geflissentlich übersehen habe. Endlich kann ich mich von Sachen trennen, die ich schon lange nicht mehr benutzt habe, die nur Raum und Energie raubten und die mich womöglich noch an alte Zeiten erinnern, die längst vorüber sind.

Ausmisten tut gut. Und Wut ist dafür ein wunderbarer Motor.
Das Wort Motor ist bereits ein guter Hinweis auf die Bewegung, die angestoßen werden will und eine Überleitung zu dem Begriff der Emotion. Emotion als Kurzform für Ex-Motion, also aus der Bewegung heraus, nämlich aus einer Gefühlsbewegung heraus, wird hier ganz deutlich nachvollziehbar. Wut ist ein Gefühl, das Dich wirklich von innen heraus anschiebt, etwas zu verändern.

An dieser Stelle möchte ich ein paar Worte zu den Begriffen Wut und Ärger sagen. Beim Recherchieren über das Thema Wut ist mir nämlich aufgefallen, dass Wut und Ärger häufig in einem Atemzug genannt werden. So, als ob sie ein und dasselbe wären. Ich empfinde das nicht so.
In meinem Erleben kommt der Ärger vor der Wut. Wut ist ein Gefühl des Aufgehaltenseins. Energie wird aufgestaut, weil es irgendwie nicht mehr weitergeht, der Fluss des Lebens sich staut. Darunter liegen vielleicht andere Gefühle, die Dir gar nicht bewusst sind, einzelne oder eine Mischung, weil etwas getriggert wurde, was bisher in Dir nicht erlöst werden konnte.

Um die dahinterliegende Herausforderung anzugehen, brauche ich häufig Mut. Ein schönes Wortspiel: Aus Wut wird Mut.

Damit ist auch schon klar, dass Wut im Grunde eine sehr gesunde Gefühlsregung ist, die mir einen Schub nach vorne in Richtung Veränderung gibt.
Ärger empfinde ich anders. Für mich ist Ärger ein Signal, ein Zeichen, dass etwas nicht zu meiner Zufriedenheit läuft. Damit kann ein Anhaften an etwas verbunden sein, das jetzt einfach nicht möglich ist, genauso wie eine Emotion die sich dadurch zeigt, dass jemand sich anders verhält, als wir es erwartet haben oder weil ich oder jemand anderes bei einer Sache einen Fehler gemacht hat.

Ärger ist somit eine Emotion des Moments, vielleicht auch ein Muster, das sich in bestimmten Situationen zeigt. Z. B. wenn ich mich übergangen fühle, oder wenn mein Kontrollbedürfnis missachtet wurde, … Natürlich steckt auch da ein Wunsch nach Veränderung dahinter. Ins Tun kommen wir deshalb noch lange nicht. Dazu braucht es ein Bewusstwerden darüber, was mir gerade so arg ist, dass ich mich ärgern muss. Erst danach kommt irgendwann die Entscheidung, wirklich etwas zu verändern. Die einen treffen diese Entscheidung früher, die anderen später.

Eine gerichtete Kraft für Veränderung kommt erst dann ins Spiel, wenn der Ärger groß genug ist oder lange genug gedauert hat, um mir die Notwendigkeit zur Veränderung ganz klar ins Bewusstsein zu rufen. Wenn also der Leidensdruck groß genug ist, wie man so schön sagt.

Und doch reicht auch das oft nicht aus. Veränderung braucht Energie. Die Wut kann diese Energie für kurze Zeit wohl liefern, aber die Richtung ist damit nicht automatisch gegeben. Dauerhafte Energie für eine bestimmte Richtung kann Dir z.B. ein lohnenswertes Ziel bringen. Oder das Vertrauen in einem Weg, der Dich dorthin bringt, auch wenn Du das konkrete Ziel noch gar nicht kennst, dafür aber Deine Werte und Dein Grundgefühl, indem Du Dich wohl fühlst und das Du immer wieder in Dir spüren möchtest. Wie immer führen viele Wege nach Rom.

Wut schreit nach Veränderung, und zwar durch Tun auch im Außen. Vielleicht nicht sofort im Moment der Wut. Aber in zeitnaher Zukunft. Ärger erfordert zunächst vor allem ein Bewusstwerden im Inneren. Wut will tun, und zwar anderes als bisher. Ärger will erst einmal sein.

Beides aber sind Gefühle, die zunächst gefühlt werden wollen. Und zwar so lange, bis sie genügend Aufmerksamkeit von Dir bekommen haben. Dann erst kehrt Frieden in Dir ein, und dann kannst Du die Not-wendige Veränderung in Ruhe und aus Deiner inneren Mitte heraus angehen.
Und damit wird klar, dass jede Veränderung nicht nur Mut sondern auch ein gewisses Maß an Weisheit benötigt.

In dem chinesischen Weisheitsbuch der Wandlungen, dem I Ging, gibt es einen Vers, der mit Veränderung zu tun hat. Er steht im Hexagramm Nummer 18 und trägt den Titel „Arbeit am Verdorbenen“. Dort heißt es:

„Die Arbeit am Verdorbenen hat erhabenes Gelingen.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Vor dem Angangspunkt drei Tage,
nach dem Anfangspunkt drei Tage.“

Es geht hier also darum, etwas, das von Menschenhand verdorben wurde, wieder durch Menschenhand auszugleichen. Oftmals ist es eine scheinbar gefährliche Unternehmung, die einer guten Vorbereitung bedarf. Deshalb heißt es im I Ging: „Nur muss die Arbeit gut vorbereitet sein. … Erst muss man die Gründe kennen, die zum Verderben geführt haben, ehe man sie abstellen kann.“

Reflexion und Selbstreflexion sind also notwendige Voraussetzung, denn Mut braucht Weisheit, damit kein Kamikaze-Unternehmen daraus wird.

Wut als Veränderungsenergie kann in ihrer unerlösten Form sehr viel Zerstörerisches mit sich bringen. Wenn wir sie aber achten und ehren als Botschafter unserer Seele, ihr Aufmerksamkeit schenken, ohne uns von ihr beherrschen zu lassen, sie einfach nur beobachten und als ein Gefühl wahrnehmen, eine Minute, zwei oder auch zwanzig, dann spricht sie eine andere Sprache und bringt uns eine andere Botschaft als nur die: „So will ich es nicht haben!“

Dann zeigt Dir die Wut Deine Dir innewohnende Kraft, die es gilt auf sinnvolle, heilbringende Wiese zu lenken.
Dann bringt sie Dir die Frage: Wie will ich es denn haben? Wie soll es laufen? Was will ich erreichen? Und was kann ich jetzt im Moment dafür tun?
Das ist eine ganz andere Energie, als ein „Hau-drauf-Impuls“ oder eine „Weg-von-Energie“. Sie bringt Dir Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl für Deine Gedanken, Deine Handlungen, Dein Leben. Sie bringt Dir Achtsamkeit auf Dich selbst, sie bringt Dir Schutz und genügend Raum, um auch die anderen mit deren Bedürfnissen, Fähigkeiten und Unfähigkeiten zu sehen. So kannst Du einen Raum erschaffen, indem alles gesehen wird, was sich darin zeigt, und dann wahrlich frei und autonom entscheiden, welchen Weg Du nun einschlagen möchtest.
Denn niemand hat Macht über Dich, außer Du selbst. Entscheide klug, was Du mit Deiner Macht machst.

Ganz eindrücklich habe ich diese Erkenntnis auch im Aikido erfahren. Dort üben wir die Situation von Angriff und Verteidigung. Und vom Umgang mit der eigenen Kraft und Macht. Dort spüre ich meine Kraft und übe gleichzeitig, sie nicht blindlings einzusetzen, sondern stattdessen Energien wahrzunehmen und zu lenken. Immer verfolgen wir dabei das Ziel, aus dem Angriff eine harmonische und friedvolle Bewegung zu machen. Denn: „Der wahre Sieg ist der Sieg über Dich selbst“ (Morihei Ueshiba, Erfinder des Aikido). Ohne mein langjähriges Aikido-Training wäre mir wohl manches im Leben verborgen gebelieben.

Wenn Du also mal wieder wütend bist, atme zunächst dreimal tief durch, begrüße deine Wut, schenke Ihr Deine ungeteilte Aufmerksamkeit, öffne Dein Herz für sie und frage sie: „Was genau brauchst Du, liebe Wut, heute von meinem Herzen? Und welche Botschaft bringst Du für mich mit?“

Probiere es aus. Ich bin sicher, Du wirst dafür reichhaltig belohnt werden.
Schreibe mir gerne Deine Erfahrungen dazu unter as@astridschellenberger.com.

Ich freue mich darauf.

P.S.: Dieser Blogartikel enthält meine ganz persönliche Erfahrung, Entwicklung und Erkenntnis zum Thema Wut. Wenn Ihr mehr über die Bedeutung der Wut – unter sozialen Gesichtspunkten erklärt – lesen wollt, empfehle ich Euch das Buch „WUT – das missverstandene Gefühl“ von Carol Tavris, Verlag Hoffmann und Campe.

Dr. Astrid Schellenberger

Physikerin, Künstlerin, intuitive Mentorin

Als intuitive Mentorin sorge ich dafür, dass Du den Sinn hinter extremen Herausforderungen in Deinem Leben erkennen und Lösungswege finden kannst.  
Extreme Umbruchszeiten erfordern Mut, um Neues zu wagen, und eine gute Beziehung zu Dir selbst. 

Und genau darin will ich Dich unterstützen.

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